Arzt

„Ein kitschiges Bild“ werden manche finden.
Ich mache diese Aufnahme am Montag, 23. Juni.
Vormittags die Diagnose.

Zwei Wochen später, hier im Garten,
noch ein Gespräch mit Lothar – unserem anderen Hausarzt.
Eine Schüssel voll Kirschen steht auf dem Tisch.

Lothar habe ich vor 14 Jahren
bei einer meiner ersten Hausentbindungen kennengelernt.

Er versteht sofort, worum es mir geht:
Um mein Kind in Frieden austragen zu können,
muß ich seinem unausweichlichen Tod ins Auge sehen.

Er wird zu unserer Hausgeburt kommen,
falls sich das Kind so entwickelt,
daß seine Geburt auf natürlichem Wege möglich ist.

Es könnte sein,
daß Flüssigkeitsansammlungen in den Hirnkammern
den Kopf von meinem Kind so groß werden lassen,
daß er nicht mehr durch mein Becken paßt.

Auch die kleine Geschwulst,
an einer offenen Stelle der Wirbelsäule,
könnte in den nächsten Monaten noch wachsen,
daß sie zum Geburtshindernis würde.

Für den schwierigsten Fall,
daß ein Kaiserschnitt notwendig wird,
trifft Lothar mit einem befreundeten Gynäkologen eine Verabredung:
Mein Kind würde auf dessen Privatstation in einer Klinik
von meinen Ärzten und meiner Familie in Empfang genommen werden
und in meinem Sinne beschützt, solange es lebt,
falls ich es selbst nicht kann.

Lothar sieht das Leben von meinem Kind viel begrenzter als Marina.
Und auch, daß es von mir nicht jedes Opfer erwarten kann, wenn ich es austrage.