Tagebuch
Samstag, 28. Juni – Michaels Geburtstagsfrühstück
Tagebucheintrag aus dieser Woche:
Kraftlos heute.
Gestern abend fragt Paula im Flur, Niki dabei:
„Wie geht es Dir Mama?“
„Sehr schlecht“, sage ich – „es könnte nicht schlechter sein.“
Ich sage ihnen, daß unser kleines Kind sehr krank ist,
daß es sterben wird, wenn es geboren ist –
auf jeden Fall sehr krank sein wird, wenn es nicht mehr in meinem Bauch ist.
Wir stehen im Flur, ich habe sie beide im Arm.
Dann in der Küche auf dem Sofa –
Nikolaus von rechts an mich geschmiegt, Paula von links, Michael spielt.
Ich erzähle von der Untersuchung.
Daß das Herz von dem kleinen Kind nicht richtig gewachsen ist
und einiges andere auch nicht.
Daß es keine vollständig ausgebildeten Arme hat, erzähle ich noch nicht.
Aber, daß der Arzt gesagt hat, daß es ihm jetzt im Bauch gut geht,
daß es keine Schmerzen hat und sich behaglich fühlt.
Paula fragt, ob es denn keine Hoffnung gibt,
ob der Arzt sich vielleicht geirrt hat oder ob es wieder gut werden kann –
Ich sage Nein.
Ich sage, daß der Ultraschallarzt davon gesprochen hat,
daß es eine Wahrscheinlichkeit von 50% gibt, daß es lebend geboren wird –
aber es wird immer schwer krank sein –
und daß ich mir nicht vorstellen kann, daß es immer im Krankenhaus liegen muß.
Nikolaus spricht nicht viel.
„Es ist ungerecht, daß manche Menschen lange leben dürfen
und andere nicht.“ sagt er.
In der Schule haben sie gerade „Mittelalter“ durchgenommen.
Er war beeindruckt von den grausamen Bestrafungen damals.
Daß heutzutage ein ungeborenes krankes Kind
getötet werden darf, kann er nicht glauben.
Später sagt Paula:
„Mama, wenn es für dich gefährlich werden könnte,
mußt du doch eine Abtreibung machen – wir drei brauchen dich ja auch.“